Ende der Nachhaltigkeit

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Mon Dec 16 2024 at 07:00 pm to 09:30 pm

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stratum lounge | Berlin, BE

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„Ende oder Wende“ könnte man das ökoemanzipatorische Projekt der letzten 50 Jahre übertiteln. Weder Ende noch Wende sind eingetreten.
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„Ende oder Wende“ könnte man das ökoemanzipatorische Projekt (ÖEP) übertiteln, das in den letzten fünfzig Jahren zunehmende Breitenwirkung entfaltet hat. Und dennoch scheint die Alternative falsch zu sein. Weder Ende noch Wende sind eingetreten. Der Soziologe Ingolfur Blühdorn hat dafür Erklärungen und führt uns in seinem neuen Buch „Unhaltbarkeit“ an den Rand der derzeitigen spätmodernen Gesellschaft, wo sich Wege in eine andere Moderne auftun, in der das transformative Nachhaltigkeitsnarrativ bedeutungslos sein wird.

Der Grund dafür liegt zum einen in der faktischen Erfolgs- und Wirkungslosigkeit des ökoemanzipatorischen Projekts: „Ökologisch gesehen sind die lange beschworenen Kipppunkte erreicht (z.B. beim Permafrost)“, schreibt Blühdorn, doch „die Politik scheint weitgehend hilflos. Klimagipfel führen zu keinen nennenswerten Ergebnissen. Sogenannte Green New Deals fördern bestenfalls die Wirtschaft, entfalten ökologisch aber kaum transformative Kraft.“

Ein zweiter Grund liege jedoch auch an der eigenen Logik und den inneren Widersprüchen des ÖEP. Blühdorn führt an, dass z.B. die Idee, wonach das Überschreiten nicht verhandelbarer „planetarer Grenzen“ zur Unbewohnbarkeit des Planeten führen und das Überleben der Menschheit gefährden könnte, eine regional sehr begrenzte, eben westliche Vorstellung ist. „Sie wird in anderen Teilen der Welt, wo man sich mitunter gerade am Anfang einer neuen eigenen Blütezeit sieht, so nicht geteilt.“ Und mehr noch enthalte die Idee der planetaren Grenzen, die im Gewand naturwissenschaftlicher Objektivität daherkommt, einen durchaus normativen Kern. Blühdorn expliziert, diese Idee bedeute nur, „dass wir in einer Gesellschaft und Welt, die diese Grenzen überschreiten, möglicherweise nicht leben wollen, weil das etablierten Normen und Erwartungen widerspricht, nicht aber, dass man in so einer Welt nicht leben könnte.“

Tatsächlich deute vieles darauf hin, dass heute die das Konzept der nachhaltigen Transformation ablösende neue Leitvorstellung von Anpassung und Resilienz genau auf so eine Welt hinführt, die uns der Soziologe als „dritte Moderne“ vor Augen führt: „In der dritten Moderne wird das Projekt der vernunftgeleiteten, kollektiven Kontrolle und Gestaltbarkeit zugunsten eines guten Lebens für alle in ökologischen Grenzen und des ewigen Friedens in der kosmopolitischen Gesellschaft vollständig zur Fiktion. Stattdessen wird die Gesellschaft der Nicht-Nachhaltigkeit mit allen Mitteln – gerade auch der Ab- und Ausgrenzung – verteidigt.“

Auf der individuellen Ebene führt die in der dritten Moderne geforderte Resilienz zu einem neobiedermeierlichen Rückzug ins Familiäre und Private: „Hatte die Umweltbewegung der achtziger Jahre noch einen Betroffenheitskult betrieben, geht es in der Spätmoderne also darum, sich vom Unabänderlichen möglichst nicht berühren zu lassen.“ Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Resignation oder extremem Pessimismus. Wie Blühdorn beobachtet, glaube „die jungen Generation zwar nicht mehr an das 1,5-Grad-Klimaziel oder das gute Leben für alle. Was ihre persönlichen Zukunftsaussichten anbelangt, sind junge Menschen aber durchaus positiv.“ Dieser Befund passt zu den parteipolitischen Präferenzen der Jüngeren, deren Neigung zu rechtsgerichteten Parteien viele bei der letzten Europawahl verblüfft hat.

Das für manche vielleicht Erschreckende, auf jeden Fall Faszinierende an den Analysen Blühdorns ist, dass sie die faktischen Transformationen unserer Zeit besser abbilden als die mit „anrührender Einfalt“ von der politischen Bildung/Nachhaltigkeitsbildung reproduzierten Glaubenssätze des ÖEP. Blühdorn geht in seinem Buch ausführlich auf die hard facts des gegenwärtigen Phasenübergangs ein, zu denen die enorme Anpassungsfähigkeit der kapitalistischen Wirtschaft ebenso gehören wie die vielfach zu beobachtende autoritär-autokratische Wende in den politischen Systemen des Westens, die Überlegenheit Chinas als Kapitalismus ohne Demokratie oder die das autonome Subjekt ablösende Künstliche Intelligenz.

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